On the road durch Schnee und Eis in Norwegen, Finnland und Schweden
Zu fünft 5000 Kilometer auf acht Rädern
Der Norden ruft. Vor allem jene, die Natur, Ruhe, reine Luft suchen und die Enge der Städte weiter im Süden mit ihrem Lärm und ihrer Aufgeregtheit meiden.
Und der Norden rief auch uns wieder einmal. Wir, das sind fünf erfahrene Nordlandreisende, denen immer dann das Herz ein wenig höher und schneller schlägt, wenn sie an ihre Erlebnisse im hohen Norden denken.
So machen wir uns Ende Februar auf zu einer 18-tägigen Reise von Norddeutschland durch Norwegen, Schweden, Finnland und zurück. Das besondere an unserer Reise: wir wollen unsere Ziele "on the road“ per Auto erkunden. Fünf Leute also in zwei Pkw. Der Ablauf: 3 Tage Anfahrt, 6 Tage Finnisch-Lappland, 6 Tage Lofoten und 3 Tage zurück in die Heimat.
Es sollte eine Mischung werden aus Foto-Reise und Erlebnis-Reise mit einer Brise Abenteuer und einem Hauch Expedition. Halb Planung und halb Zufall sozusagen. Mit Überraschungen aber ohne Risiko. Jenes jedenfalls im überschaubaren Rahmen.
Bei der Planung spielte natürlich auch ein wenig Nostalgie mit. Meine halbjährige Expedition mit „Icesail“ in die russische Arktis, und die mehrmonatigen Reisen per Auto durch Sibirien und an den Kältepol. Die Unabhängigkeit von Flugzeug, dafür auf der Straße und per Schiff sich frei zu bewegen, hat eben eine eigene Qualität. Ein Überraschungsfaktor ist dabei das „Salz in der Suppe“.
Allein oder in kleiner Gruppe?- Ich entschied mich für die Gruppe. Denn geteiltes Leid ist halbes Leid und geteilte Freude ist vielfache Freude…
Nach einigen Anrufen stand die Truppe. Der Eine musste noch Termine prüfen, der Andere sagte spontan zu. Und so stand es nach einigen Stunden und Tagen fest: wir fahren zu fünft in zwei Autos. Die Strecke: rund 5.000 Kilometer.
Und so treffen wir uns Ende Februar in Kiel vor der mächtigen Colorline-Fähre, um nach Oslo überzusetzen. Es gibt genügend Platz für uns und unser umfangreiches Gepäck, keine Begrenzung des Gewichts und des Volumens wie auf Flügen.. . Bequeme Plätze. Anhalten, wo immer wir wollen und Motive uns zum Fotografieren locken. Unsere Aufbruchsstimmung: prächtig.
Die Sonne begleitet uns entlang der Kieler Förde und in der „dänischen Südsee“. Wir genießen unsere Doppelkabinen zur Alleinbenutzung und schlendern entlang der „Promenade“ in der ein Geschäft und ein Lokal neben dem anderen für quirlige Stimmung sorgt.
Nach einer ruhigen Nacht mit erholsamen Schlaf nimmt uns am nächsten Morgen der ruhige Verkehr auf, den wir so schätzen an Skandinavien. Wir fahren nicht schnell, kommen aber gefühlt zügiger voran als auf unseren deutschen Chaos-Straßen.
Durch teils flaches teils hügeliges Land bewegen wir uns durch Wälder und weite Felder durch den Süden Norwegens und Schwedens, dann weiter entlang dem Bottnischen Meerbusen bis Luléa am nördlichen Ende des weitläufigen Ostseearmes.
Im Wald am See
Nach zwei Übernachtungen und über tausend Kilometer auf dem Tacho über teils schneebedeckte Trassen rollen wir auf unser Hotel im Wald und am See. Herzlich begrüßt uns Tiina, bei der wir mit Fotogruppen schon mehrmals gewohnt haben. Unser Ressort für die kommenden Tage und Nächte jenseits des Polarkreises.
Jetzt sind wir „mitten im Schnee und Eis“. Tags über schlendern wir über den zugefrorenen See oder spazieren durch die hügelige Uferlandschaft. Es sind nur wenige Menschen unterwegs, und wir genießen die Stille und Ferne jeglicher Hast.
In einem kleinen Café laben wir uns an Kaffee, Schokolade und Kuchen. Das Café ist eher ein kleiner Tante-Emma-Gemischtwarenladen, in dem es neben lokalen Leckereien auch Schmuck, Trödel und Jagdtrophäen zu bewundern und zu kaufen gibt.
Obendrauf erfreut uns der mit langem, grauem Bart geschmückte Inhaber mit einem Joik. Nein, nein, ich habe mich nicht verschrieben. Gemeint ist kein berauschender Genuss, sondern eher etwas für die Ohren. Denn der Joik ist der typische Gesang der Sami, der wiederum eher kein Gesang ist sondern eine Folge von Klick- und Klacklauten und Kehlkopfakrobatik.
Ab und zu schaut ein Einheimischer in den Laden rein und erfreut sich des spontanen Konzertes. Wir sind beeindruckt von dem Auftritt und lassen uns vom „Sänger“ erzählen, dass er mit seiner Tochter gemeinsam schon in einer Hamburger Konzerthalle aufgetreten ist und gejoikt hat. Dazu zeigt er uns ein untermauerndes Beweisfoto…
Und so schauen wir jeden Tag in „unserem“ kleinen Laden vorbei, genießen Kaffee/Kakao und Kuchen zusammen mit dem wunderbaren simplen Lokalkolorit.
Tags über scheint die Sonne weit unter dem Gefrierpunkt, nachts sinkt das Thermometer bis an die 20 Grad minus. Ein wenig wärmer wird es uns nach Sonnenuntergang aber beim Anblick eines grandiosen Polarlichtes, das neben grün einen ungewöhnlich großen Anteil an rotem Licht ausstrahlt.
Auf dem See finden wir eine gute Position, um das Licht-Spektakel auf den Sensor zu bannen. Die Farbenpracht rauscht uns nur so um die Ohren und scheint nicht aufzuhören. Welch ein Schauspiel.
Abschleppseil im Einsatz
Ein Schauspiel anderer Art erleben wir auf unserer Fahrt von Lappland an den Atlantik nach den Lofoten. Bei einer vermeintlich einfachen Auffahrt auf einen Streckenparkplatz sinke ich plötzlich mit den beiden vorderen Antriebsreifen in tiefen Schnee. Mit Motor- und Menschenkraft dauert es einige Zeit, bis wir meine schwere „Else“ aus der Falle befreit haben. Gut dass ich vor der Reise noch einmal für ein anständiges Abschleppseil gesorgt habe. Noch besser aber, dass Heinz mit seinem Allrad-Gefährt die erforderliche Kraft auf die Räder bringt.
Ein bisschen Abenteuer der untersten Güteklasse, aber immerhin…
Bei unserer für die Straßenverhältnisse zügigen Fahrt kommen wir mit unseren Winterreifen gut voran, auch wenn ein gefühlvoller Fuß gefragt ist. Natürlich hatten wir vor der Fahrt über in Skandinavien übliche Winter-Spike-Reifen nachgedacht und wurden mit klugen Ratschlägen bedacht. Das Problem allerdings ist, dass in Deutschland Spikes verboten, in Skandinavien sie aber üblich sind im Winter. Man stelle sich das Procedere vor: Mit Winterreifen bis zur Fähre in Deutschland, im Gepäck Spikereifen, die dann nach dem Verlassen des Schiffes in Oslo montiert werden. Aber wohin mit den „deutschen“ Winterreifen?
Oder Reifentausch bei der Ankunft in Oslo. Aber wann und wie die deutschen Winterreifen wieder abholen auf der Rückfahrt? - Ein verzwicktes Spiel…
Nun, wir sind am Ende gut gefahren - im wahrsten Sinne des Wortes - mit unseren kräftig zugreifenden Winterprofilen. Und dass eines unserer Fahrzeuge ein Allrad war, machte die Sache rund…
Unsere Fahrt nach Westen Richtung Lofoten bringt uns erneut durch traumhafte Winterlandschaften. Seen, Wälder und Felder säumen unseren Weg, vorbei an Kiruna und Narvik. Fast 700 Kilometer sind wir gefahren als wir am Abend in Henningsvær eintreffen. Linda, die Hotelmanagerin, zeigt uns unsere Unterkünfte. Auch die immer fröhliche Linda und ihren gemächlichen Mann Ragnar kenne ich und einige von uns seit vielen Jahren.
Fischer rüsten sich zum Fang
Wir bekommen in dem in einem alten Hafen-Lagerhaus renovierten Gebäude zwei Wohnungen, in denen jeder sein eignes Zimmer hat und einen großzügigen, gemeinsamen Wohnbereich.
Vom Balkon aus können wir am frühen Morgen einige Meter unter uns betrachten, wie die Fischtrawel noch bei Dunkelheit für die Abfahrt vorbereitet werden und am Abend mit dem Fang heimkehren.
Näher dran am emsigen Fischfang in dieser Zeit des begehrten Skrei geht nicht. Denn genau jetzt zu Beginn des Jahres hält sich der besonders begehrte Dorsch in der Region vor den Lofoten auf.
In den nächsten Tagen durch Henningsvær zu schlendern ist nach meinen vielen Besuchen des Fischerdorfes in den vergangenen 20 Jahren fast schon wie „Nach-Hause-Kommen“. Waren in den ersten Jahren meiner Besuche nur wenige Menschen im Winter hier unterwegs, locken nun vor allem das Polarlicht und die wunderbaren Winterlandschaften mehr Menschen in das Dorf und die gesamten Lofoten. Gut dass man seine Kontakte hat und weiß, wo es im wahrsten Sinne entlang geht…
Es ist gut zu wissen, wo man wann sein sollte, um die grandiose Landschaft im besten Licht zu erleben und zu fotografieren. Auch wenn wir die meisten Ausflugsziele von früheren Reisen kennen, ist es ein Wiedersehen und neu-erleben zugleich. Grund dafür ist vor allem das Licht, das oft in kürzesten Intervallen wechselt und die aus dem Meer aufsteigenden Bergmassive immer wieder neu in Szene setzt.
Es gibt wenige Orte, wo das Spiel der Lichter von einer solchen Vielfalt und Intensität ist wie hier auf den Lofoten.
Sechs Tage besuchen wir die Halbinsel der Lofoten in alle Himmelsrichtungen. Und immer wieder begeistern wir uns an der imposanten Landschaft, atmen die reine Meeresluft und genießen die Stille dieser unvergleichbaren Landschaft.
Der letzte Teil unserer On-the-road-Tour führt uns drei Tage lang von Nord nach Süd durch das Innenland Norwegens. Vorbei an kleinen Dörfern und Städten und der wechselvollen Landschaft.
Noch ein wenig Abenteuer
Wir verleben noch einige schöne Stunden in der historischen Stadt Trondheim, bevor es auf dem letzten Abschnitt unserer Reise nach Oslo geht. Dort habe ich ein Hotel am Hafen gebucht, damit wir am nächsten Tag einen nur kurzen Weg auf die Fähre haben.
Hier erwartet uns noch ein Erlebnis der besonderen Art zum Schluss der Reise. Nachdem uns unsere Navis zuverlässig an das pompöse, historische Gebäude herangeführt haben, stehen wir vor verschlossener Tür. Eine Telefonnummer neben dem schweren Massivholzportal verweist auf Hilfe.
Diese besteht darin, dass wir per Telefon angeleitet werden, um in das Hotel zu kommen. Nein, wir müssen keine Code-Nummer wählen, sondern nur der Stimme am Telefon folgen.
Und das geht so aus einer Mischung aus norwegisch und englisch: „Gehen sie jetzt zur Eingangstür, ich werde sie ihnen öffnen“.
So geschieht es auch wie von Geisterhand.
Und nun?
„Fahren sie mit dem Fahrstuhl in Etage 2“
gesagt, getan…
Und nun?
Die Stimme am Telefon: „Ich sehe sie alle. Wir haben vor und im Hotel überall Kameras. Gehen sie zu Zimmer 204.
Gesagt, getan…
Wir stehen vor der Tür, die sich wieder von allein öffnet.
Im Zimmer liegen auf einem Tisch die Magnetkarten für unsere Zimmer.
Und dann der Abschied am Telefon: „Sie haben alles richtig gemacht. Wir wünschen einen guten Aufenthalt“.
Ende gut, alles gut...
Mit diesem Erlebnis aus der neuen digitalen Welt, einem vorzüglichen, aber nicht ganz billigen (günstigen) Abendessen in einem gegenüberliegenden Edelrestaurant und die Mini-Kreuzfahrt nach Kiel am nächsten Tag endet unsere nicht alltägliche Reise.
Wir haben viel erfahren und uns viel erfahren auf acht Rädern mit unserer Reise „on the road“.
Wir haben zweieinhalb Wochen lang vieles erlebt und gesehen. Unsere Speicherkarten sind so voll wie unser Erlebnisressort im Kopf.
Wir waren ein gutes Team und werden diese Reise sicher nie vergessen…